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22. November 2010 1 22 /11 /November /2010 16:29

„Die bieten das doch an – muss ich denn ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich bei einem Schnäppchen zuschlage?“ „Die werden schon wissen, wie sie mit ihrer Kalkulation klar kommen!“ „Da kannste mal sehen, was die immer noch für Margen haben, wenn die das jetzt so billig raushauen können!“

 

 

Nur 3 Beispiele von vielen, die ich höre wenn ich Käufer des größten Elektronik-Marktes frage warum sie da überhaupt kaufen.Ich betrete diesen Laden nach Möglichkeit gar nicht. Weil ich das mit meinem Gewissen nicht vereinbaren kann. Und ich habe lange hin und her überlegt, ob und wie ich meine Kenntnisse und Meinung kommuniziere – ob ich es überhaupt öffentlich mache. Die Gefahr von einem Anwalt des Konzerns Post zu bekommen ist nämlich groß –andererseits wurde ich gerade in der jüngeren Vergangenheit von vielen in meinem Umfeld ermutigend gedrängt, das doch bitte endlich mal öffentlich zumachen.

 

Also zunächst ein paar Eckdaten:

MediaMarkt und Saturn gehören beide in die Metro Gruppe, sind also keine Konkurrenz. Die Media-Saturn-Holding GmbH in Ingolstadt besteht aus den beiden Vertriebsmarken Media Markt und Saturn. Wobei Saturn eher in Innenstadtlagen zu finden ist und Media Markt eher in Shopping-Centern und Stadtrandlagen. Alle Märkte laufen als eigene Gesellschaften mit Beteiligung der Geschäftsführer. Jeder Geschäftsführer eines Media Markts ist gleichzeitig Miteigentümer seines Hauses. Der Einkauf erfolgt weitestgehend zentral durch eine Abteilung in Deutschland und mehrere Standorte in Asien.

 

Wie erfolgt jetzt die Preisgestaltung und warum habe ich ein Problem, dort zu kaufen?

MediaMarkt,Saturn usw. haben ihre Handelsspannen. Immer. Prospekt oder nicht.Der Einkäufer schreibt dem Lieferanten vor, wie er was zu welchem Zeitpunkt und zu welchen Konditionen wohin zu liefern hat.  

  • Wie: Art der Palettierung, Höhe der Palette, Anzahl der Artikel je Palette usw.
  • Was: Artikelbeschaffenheiten, techn. Merkmale usw.-Zeitpunkt: 
  • Wann: kann der Lieferant in welcher Menge anliefern – nach Möglichkeit alles in time in kleinen Chargen.
  • Konditionen: Zahlungsziele, Währung der Zahlung, Zahlungsweg, Rabatte, WKZ  

Daraus ergeben sich für den Lieferanten ganz erhebliche Unwägbarkeiten.Er muss, um gute Einkaufskonditionen in Asien zu bekommen, große Mengen ordern. Weiß aber nicht sicher in welchen Steps diese vom Kunden abgefordert werden – seine zu erwartenden Kosten für Lagerhaltung sind also nur schwer zu kalkulieren. Damit sind auch die Finanzierungskosten nur schwer zu kalkulieren – denn niemand hat mehrere Mio USD einfach so rumliegen. Der Lieferant finanziert das Geschäft mit einem Kredit, dessen Laufzeit aber nur bedingt absehbar ist und somit auch die tatsächlichen Zinsen. Weiterhin kann sich der Wechselkurs zwischen Bestellung in Asien (Zahlung in USD) und Eingang der Bezahlung ( in EUR ) drastisch zu Ungunsten des Lieferanten verschieben, der Abnehmer (MediaMarkt) kann Abzüge geltend machen wegen Lieferverzug usw., usw....  Dazu kommt,das der MediaMarkt die Kosten für seine Prospekte komplett weiter reicht an die Lieferanten der Produkte, die dort beworben werden. (WKZ = Werbekostenzuschuss) Außerdem wird noch eine  „Abverkaufshilfe“ vom Lieferanten verlangt. Diese sieht vor, dass der ausgewiesene Rabatt im Prospekt – also der de facto eingebüßte Rohertrag – vom Lieferanten zu übernehmen ist, wenn er weiterhin Lieferant sein will

 

Was tut also der Lieferant, um trotzdem (relativ sicher) Geld zu verdienen? Die vorgegebenen Konditionen kann er nicht aufweichen. Also schiebt auch er einen Teil des Risikos, der Kosten und des Aufwandes weiter an seinen Logistiker und den Hersteller. Die großen Carrier (HapagLloyd, Cosco, HamburgSüd usw) kamen hier vor einigen Jahren auf mein Betreiben hin auf eine „super“-Idee. Um Kosten für den Seetransport zu sparen – im Schnitt USD 3.000,00/Container Shanghai-Hamburg – wurde der Seeweg verlängert. Klingt zunächst absurd, macht aber Sinn: Die direkten Linien zwischen Asien und Europa sind immer schon geplagt von einer starken Überbuchung. (Speziell vor dem chinesischen Neujahrsfest ist selbst ein gebuchter und bezahlter Containerstellplatz auf einem Schiff noch lange keine Garantie dafür, das der Container auch tatsächlich mit fährt)  D.h. die Nachfrage an Frachtraum auf den Containerschiffen übersteigt das Angebot zeitweise erheblich.  Also steigen auf diesen „Rennstrecken“ auch die Preise. Was tun? B-Linien fahren: Der Container wird z.B. via Singapur, Tauranga und evtl. noch Antwerpen gezogen – alles Linien auf denen die Auslastung sehr viel geringer ist. Hier werden nur Kostendecker benötigt. Im Ergebnis ist der Container dann zwar doppelt so lange unterwegs und es wurde 3x soviel Schiffsdiesel verbraucht, aber die Kosten sinken auf teilweise unter USD 1.000,00/Container.

Steuert der Lieferant  das rechtzeitig ein, braucht er auch keinen Lieferverzug befürchten. Bei der Wahl des Herstellers kann der Lieferant in Asien komplett frei wählen von hochwertig bis – naja... In dem Maß, in dem er den Preis drückt, wird nicht zwangsläufig die Qualität sinken. Diese weit verbreitete Meinung ist komplett überholt. Ich habe noch nirgends auf der Welt so gut organisierte, motivierte und saubere Werke gesehen wie in China. Allerdings wird an anderer Stelle gespart. Beim Lohn und beim Umweltschutz. 

Als ich mit einer Delegation – bestehend aus deutschen Wirtschaftsvertretern, Regierungsbeamten und Vertretern Chinas -  in einem Bus über den HuangHe  (der gelbe Fluß) fuhr,  fragte ein anwesender Reporter einen deutschen Regierungsvertreter ob denn bei den Gesprächen mit den Chinesen auch über Fragen des Umweltschutzes gesprochen werden würde. Die Antwort hinter vorgehaltener Hand: „Solange ich hier einen Film reinwerfen kann und kurz danach die fertigen Fotos rausholen, brauche ich mit denen darüber nicht reden..!“

 

Will sagen: Umweltschutz ist denen egal. Nicht, weil es sie nicht interessiert, sondern weil sie es nie anders erlebt haben. Dies wandelt sich erst in den letzten Jahren, und inzwischen macht China auf diesem Gebiet auch echte Fortschritte.

 

Zurück zur Frage:... und warum habe ich ein Problem, dort zu kaufen?

Weil mir – wenn ich dies alles bedenke – immer eines klar ist: Je günstiger ein Produkt angeboten wird, umso mehr steigt meine Sicherheit, das für dieses Produkt alles was mir wichtig ist mit Füßen getreten wurde: Soziale Gerechtigkeit, faire Löhne, Umweltschutz, fairer Umgang miteinander (auch geschäftlich geht das!) und Ehrlichkeit dem Kunden gegenüber. Ich gehe lieber zu meinem kleinen Handwerker oder Einzelhändler um die Ecke und unterstütze den lokalen Mittelstand. Dort werde ich in der Regel besser behandelt, und wirklich teurer ist es dort auch nicht. Natürlich habe auch dort keine 100% Sicherheit, das alles gut ist – aber ich FÜHLE mich besser.

 

Meiner Meinung nach ist der einzige Grund für die Macht dieser Konzerne UNSERE Gier. ALLES und JETZT. Als meine Eltern vor 30 Jahren eine Waschmaschine gekauft haben, lief das so: Sie haben gespart, bis sie sich das Gerät leisten konnten. Dann haben sie bestellt, und es war normal dass es 6 Wochen dauerte bis es kam. Es wurde nicht finanziert, und gekauft wurde was man sich leisten konnte. Punkt.

 

Ich sehe daran nichts, was falsch wäre.

Und deswegen brauche ich keinen MediaMarkt.

Ich finde Geiz nicht geil, und bin (hoffentlich) trotzdem nicht blöd!

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Kommentare

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  • : Olli's Blog
  • : Anfang 2010 hatte ich ja schon einmal einen Blog, allerdings hat der Provider die Segel gestrichen... Jetzt habe ich nach langem hin und her mich entschlossen, doch wieder unter die Blogger zu gehen. Viel Spaß beim Stöbern..!
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